Emily in Brasilien

Eines der wahrscheinlich aufregendsten Dingen gleich zu allererst: Ich war in Brasília!!!

Das ist jetzt zwar schon wieder eine ganze Weile her, aber ich möchte euch natürlich trotzdem noch davon erzählen. Meine Mentoren Oldi und Mauricio hatten die Idee, mit mir Anfang Oktober auf das nationale Treffen der Landpastorale (CPT) zu gehen, und nach langem hin und her haben wir den Flug gebucht und sind zusammen in die Hauptstadt geflogen.

Es waren fünf wunderbar spannende Tage! Zu dem Treffen kamen nämlich Menschen aus allen Bundesstaaten Brasiliens und auf diese Weise hatte ich die Chance, das riesige Land auf eine ganz besondere Weise kennen zu lernen. Auf dem Foto seht ihr zum Beispiel einen Indío aus der Bahia, wie er eine Rede gehalten hat. Allgemein habe ich mich unter den Leuten dort sehr wohl gefühlt und habe Freundschaften mit Leuten geknüpft, die leider viel zu weit weg wohnen. Ganz eindrücklich habe ich auch noch die spirituelle Einheit („mística“) am ersten Abend in Erinnerung, wo wir gesungen, uns umarmt und uns mit Erde eingerieben haben. Solche naturverbundenen Místicas sind für mich hier keine Seltenheit mehr.

In der Konferenz war es natürlich schon noch schwierig für mich, immer zu verstehen, um was es gerade geht, aber oft hat mir jemand im Nachhinein dann meine Fragen beantwortet. Einmal kam sogar jemand zu mir, der einige Jahre in Paris gelebt hat, und er hat sich mit mir dann auf Französisch unterhalten. Ich freue mich immer sehr über solche Überraschungen.

Außerdem hatte ich in den Tagen auch noch die Chance, das Zentrum der Stadt kennen zu lernen. Interessiert hat mich die Stadt schon bevor wir dort waren, denn Brasília hat als Hauptstadt eine sehr außergewöhnliche Geschichte. Brasília wurde in den 60er Jahren komplett aus dem Nichts in die Landschaft der trockenen Serra gebaut. Beeindruckt hat mich an der Stadt vor allem die Architektur Oskar Niemayers, der alle öffentlichen Gebäude im Zentrum der Stadt entworfen hat. Das Zentrum ist dabei zudem unglaublich weitläufig, flach und wirkt konstruiert wie ihr auf dem zweiten Foto sehen könnt. Da Brasília eine so junge Stadt ist, leben in ihr auch Menschen aus allen Bundesstaaten Brasiliens. Als ich mit Oldi ein Tag in der Stadt unterwegs war haben wir sehr viele freundliche Menschen kennen gelernt und nicht selten grüßt man sich sogar auf der Straße, im Zentrum der Hauptstadt! Doch neben diesem schicken Zentrum gibt es rund um die Stadt sehr viel Peripherie und Armut, weshalb viele Brasilianer von der Umsetzung und allgemein der Stadt Brasília nicht besonders begeistert sind.

Politische Situation

„Aha, ihr geht also nach Brasília, richtet Temer einen starken Faustschlag von mir aus!“, hat nicht nur eine Person zu uns gesagt, bevor wir losgeflogen sind. Das mag jetzt vielleicht sehr übertrieben und hart klingen, ist es aber nicht! Allgemein ist die Abneigung vieler Menschen gegenüber dem Präsidenten Michel Temer sehr zu spüren. Das liegt daran, dass Temer viele soziale Projekte, die die vorigen Präsidenten Lula und Dilma ins Leben gerufen haben, gestoppt oder gekürzt hat.

Auch die Art, wie er Präsident wurde stellen viele Menschen in Frage. Um diese Ansicht verstehen zu können ist es nötig, den ganzen politischen Kontext zu kennen.

Von 2003 bis 2010 war Luiz Inácio da Silva (bekannt als „Lula“, Foto links), einer der Gründer der Arbeiterpartei PT, Präsident Brasiliens. Er hat durch Programme wie „bolsa familia“, „fome zero“ oder „minha casa, minha vida” viel zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens beigetragen. So bekamen ärmere Familien zum Beispiel finanzielle Unterstützung, neue Universitäten und Berufsschulen wurden errichtet und bei Lagern, die Oldi und Mauricio mit Jugendlichen unternahmen, gab es plötzlich Essen. Armut und Hunger wurden in seiner Amtszeit also spürbar verringert und seine Popularität in der brasilianischen Bevölkerung stieg gewaltig. „Wir wollen den Lula wieder, wir wollen den Lula wieder!“, höre ich öfters Menschen in Konferenzen rufen. Lula, der aufgrund seiner Biografie den Menschen Identifikationsmöglichkeit gegeben hat und Symbolfigur der „luta“ (=Kampf) für soziale Gerechtigkeit geworden ist. Den Begriff „luta“ wird in den Kreisen, in denen ich mich bewege, sehr oft verwendet. Jeden Tag kämpfen wir mit anderen Kleinbauern für die Rechte, die sie haben.

Am Ende seiner zweiten Regierungsphase hat Lula Dilma Roussef, die ebenfalls der Arbeiterpartei angehört, als Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2010 vorbereitet und unterstützt.

Sie als Präsidentin startete zum Beispiel das Programm „Mais médicos“, dessen Ziel es war, Menschen, die bisher keinen Zugang zu Ärzten hatten ihnen diesen zu ermöglichen.

Auch verfolgte sie von Anfang an einen Anti-Korruptionskurs. Doch durch den starken Druck, den Dilma zum einen von der starken Opposition im Parlament erlebte, einem hinzukommenden Machismus und den nicht unparteiisch berichtenden großen Medien, hatte sie es schwer so zu regieren wie sie es wollte und konnte kaum noch eigene Gesetze durch den Kongress bringen. Allgemein konnte sie die soziale und wirtschaftliche positive Entwicklung Brasiliens nicht fortsetzen, was unter anderem an der Weltwirtschaftskrise lag.

Dilma selbst wurden schließlich Haushaltskniffe vor ihrer Wiederwahl 2014 vorgeworfen, sie wurde angeklagt, suspendiert und schließlich von ihrem Amt abgesetzt. Diesen Vorgang bezeichnete sie öffentlich als Putsch und rief die Bevölkerung auf, sich für die Verteidigung der Demokratie einzusetzen. Seit August 2016 ist nun der ehemalige Vizepräsident Michel Temer Präsident Brasiliens und mit ihm gab es einen spürbaren politischen Kurswechsel in neoliberalistische Richtung.

Nächstes Jahr gibt es in Brasilien die nächsten Präsidentschaftswahlen und bisher ist es unklar, ob Lula bei diesen Wahlen wieder antreten darf. Umfragen zufolge hätte er große Chancen, wieder gewählt zu werden. Doch auch Jair Bolsonaro der rechtsreligiösen Partei PSC gewinnt an Popularität und liegt weit vorne.

Abgesehen von dem Thema der Regierung Brasiliens gibt es natürlich noch viele andere Themen, die in Bezug auf die politische Situation eine große Rolle spielen.

Diese Themen, die ich von Medien und Menschen mitbekomme sind zum Beispiel Separatismuswünsche des Südens Brasiliens oder die Zunahme des Drogenproblems. Ein ganz großes Problem spielt natürlich Korruption, und Mauricio meinte zu mir, dass viele Menschen hier auch anfangen, Politik mit Korruption gleich zu setzen und deshalb nicht mehr viel von Politik halten. Er hat mir auch erzählt, dass es erschreckend viele Menschen in Brasilien gibt, die im Moment eine Diktatur für richtig halten.

Landfrage

Jetzt noch ein anderes, immerwährend aktuelles und meiner Meinung nach auch sehr spannendes politisches Thema, das in Brasilien (und in meinem Projekt!) eine große Rolle spielt: Die Landfrage.

Brasilien ist groß. 24-mal so groß wie Deutschland sogar, jedoch leben auf dieser großen Fläche nur rund 2,5-mal so viele Menschen wie in Deutschland.

Viel Land ist jedoch in der Hand von wenigen Großgrundbesitzern, viele Menschen besitzen wenig Land. Es gibt verschiedene Ministerien, die sich mit der Frage der Landverteilung befassen, und es gibt Bewegungen wie die Landlosenbewegung, die große Proteste und Landbesetzungen organisieren für eine gerechtere Verteilung der Fläche, für die Reforma Agraria.

Nicht nur die Landlosenbewegung, sondern auch Indigene und Quilombolas kämpfen für ihren Anspruch auf Land. Ein Quilombo war in der Zeit der portugiesischen Herrschaft in Brasilien ein Ort, an den schwarze Sklaven geflohen und sich dort niedergelassen haben. Die Nachfahren dieser Sklaven werden Quilombolas genannt.

Ihre Argumente sind, dass sie durch ihre Vorfahren schon immer Land besaßen. Auf dem Plakat auf dem Foto, das ich auf einem Seminar der Landpastorale geschossen habe, seht ihr den Spruch „Diese Erde war schon unsere“. Ein anderer Spruch, den ich gesehen habe war „Auf dieser Erde waren wir Sklaven“. Doch heute haben Quilombolas oft wenig Land und werden diskriminiert. Auch Indigene, „Flüchtlinge ihres eigenen Bodens“, die schon immer in Brasilien gelebt haben und schon immer Land hatten, leben heute oft auf einem Stück Land, dass sie offiziell noch nicht besitzen. Oldi, Mauricio und ich besuchen oft Gruppen wie diese und hören den Menschen zu, wie es ihnen geht, was ihre Probleme sind, und besprechen wie man für ihre „sonhos“ (Träume) kämpfen kann.

Auf dem Foto seht ihr mich zum Beispiel auf einem Treffen der Quilombolas in einer Region der Diözese Santa Cruz do Sul, die wir besucht haben.

Gemüsegärten und Gewächshäuser

Wie ich in meinem letzten Rundbrief ja schon angefangen habe zu erzählen, befassen wir uns hier sehr mit verschiedenen Gemüsegärten und Gewächshäusern. Was in der letzten Zeit im Hinblick auf diese so passiert ist, möchte ich jetzt mit euch teilen.

In dem Gemüsegarten hier am Haus, der eher eine Mischung aus Garten und Feld ist, pflanzen Oldi und Mauricio die verschiedensten Gemüsearten an. Es gibt dort Tomaten, Zucchini, Radieschen, Mais, Bohnen, Karotten, Kopfsalat, Rucola, rote Beete, Süßkartoffeln und und und. Das alles wächst zusammen auf einem Stück Feld, so bleibt die Biodiversität erhalten. Biodiversität dadurch, dass man unterschiedliche Pflanzen nebeneinander pflanzt, die sich dann aber auch noch in ihrer Art unterscheiden können. Außerdem pflanzen sie natürlich um das Gepflanzte nachher selbst ernten und essen zu können. Meine Mentoren nennen diese Lebensmittel dann „Comida de verdade“, was übersetzt so viel wie „wahres Essen“ bedeutet. Wahres Essen aus Samen, die genetisch nicht verändert wurden und wir oft selbst aus alten Pflanzen gewonnen haben, angepflanzt ohne giftigen Dünger zu verwenden. Was mich besonders gefreut hat ist, dass die Zucchini-Samen, die ich aus Deutschland als „Gastgeschenk“ mitgebracht bisher schon circa 30 große Zucchini gegeben haben.

Auch im Gemüsegarten der Gemeinde geht es langsam voran. Regelmäßig gibt es dort Treffen und die ersten Tomaten und Radieschen konnten auch dort schon geerntet werden.

In einer Schule in Cruzeiro haben die Schüler sogar auch einen eigenen Gemüsegarten. Die Schüler haben einmal mit ihren Lehrerinnen einen Ausflug zu dem Gemüsegarten unsrer Gemeinde gemacht. Auf dem Foto oben seht ihr die Kinder im Garten der Gemeinde. Danach haben Mauricio und ich ihnen noch die Samenbank hier im Keller gezeigt. Heute haben wir uns wieder mit ihnen getroffen und uns um ihren Garten gekümmert. Das Mädchen auf dem Foto rechts neben mir heißt übrigens auch Emily. Nur wird mein Name hier oft „Emili“ geschrieben.

Ein aktuelles Projekt mit den Jugendlichen der Jugendagrarschule (EJR) im nördlichen Teil der Diözese ist es, Gewächshäuser zu bauen. In der Diözese gibt es zwei unterschiedliche Landschaften: im Norden die „mata atlantica“ (atlanitischer Regenwald), in der ich übrigens auch wohne, und im Süden die Pampa.

Bisher haben wir jeweils mit zwei Gruppen der EJR ein Gewächshaus gebaut. Das Erste haben wir mit einer Gruppe gebaut, die Quilombolas sind.

Das Gewächshaus, das wir mit ihnen gebaut haben, ist ein einfacheres Modell. Ihr seht es auf dem ersten Foto. Das Traurige ist nur, dass der Wind es schon zweimal zerstört hat, wir arbeiten immer noch an einer Lösung, die Plastikfolie stabiler zu befestigen.

Das andere Gewächshaus haben wir mit einer Gruppe in einer ganz anderen Region gebaut. Es ist größer und hat zwei Tage in Anspruch genommen. Zwei unglaublich heiße Tage waren das, zum Glück sind viele Jugendlichen zum Helfen gekommen, teilweise sogar mit ihrer Familie.

Es war zwar ziemlich anstrengend und wir mussten uns immer wieder in den Schatten setzen. Als dann das Gewächshaus stand, waren wir schon alle sehr begeistert und ich freue mich sehr darauf, irgendwann zu sehen, wie die Jugendlichen dort ihr eigenes Gemüse anbauen. Und für viele der Jugendlichen bedeutet das sehr viel, da sie aus ärmeren kleinbäuerlichen Familien kommen und somit Lebensmittel zur Selbstversorgung anbauen können.

Nachdem wir das große Gewächshaus gebaut haben, habe ich die einzelnen Schritte des Prozesses gezeichnet und es ist jetzt ein kleines Heft daraus geworden. Ich habe es gebunden und kopiert, die „Anleitung“ kann dann beim Bauen des nächsten Gewächshauses mitgenommen werden. Es macht mir viel Spaß solche kleine kreative eigene Ideen umzusetzen.

Von Erdbeeren, Hühnern und Tupperware

In den letzten Monaten hatte ich außerdem die Chance, auch einmal bei anderen Menschen mitzuleben. Ich habe einen Tag Marcia besucht, die ich auf dem Seminar über Tabak kennen gelernt habe. Sie baut Erdbeeren an und verkauft diese auf Märkten und an Kunden, die sie so kennt. Ich durfte an dem Tag mithelfen, die Erdbeeren zu pflücken und sie danach mit ihr in Lajeado zu verkaufen. Marcia hatte bei dem Tabakseminar in einer Rede schon einiges ihrer Lebensgeschichte erzählt, die ich damals aber noch nicht ganz verstanden habe. An dem Tag, an dem ich ihre Familie besucht habe, hat sie mir nochmal erzählt, wie sie früher Tabak angebaut haben und wie schlecht es ihnen damit gesundheitlich ging. Es war nicht einfach, damit aufzuhören und in den Erdbeeranbau zu wechseln und sie haben auch noch viele Schulden, doch es hat das Leben ihrer Familie grundlegend verbessert.

In der gleichen Woche bin ich noch zu einer anderen Freundin von Oldi gefahren, sie heißt Lucila und es hieß ich werde mit ihr in ihrer Hühnerfarm arbeiten. Es hat sich dann herausgestellt, dass die Hühnerfarm ihrem Sohn gehört. Sie selbst pflanzt Gemüse und Kräuter an und verkauft sie auf dem Markt, wo ich auch einen Tag mitgeholfen habe. Doch daneben gab es noch eine unerwartete Überraschung für mich: Sie und einige ihrer Freundinnen verkaufen Tupperware. Ich bin also auch mit ihr von Haus zu Haus gegangen und habe Tupperware verkauft, und übernachtet habe ich in einem richtigen Tupperware-Paradies.

Ich habe fast eine Woche bei ihnen verbracht und hab natürlich auch noch Eier gesammelt und mit ihrem Sohn verkauft. Wir sind dabei zu Supermärkten, Restaurants und Bäckereien gefahren und ich habe ganz schön viel zu sehen bekommen. Blicke hinter Türen, wo und wie Köche und Bäcker arbeiten. In der gleichen Zeit, oft auch im gleichen Laden, war jedoch die Konkurrenz unterwegs: Ein anderer Hühnerfarmer, der seine Eier noch billiger verkauft, jedoch die Hühner in Käfighaltung hält. Und leider wissen das die Kunden beim Kaufen der Eier meistens nicht, denn hier gibt es keine „Freilandhaltung-“ oder „Käfighaltung-“ Zeichen auf der Verpackung wie bei uns.

Auf dem Foto rechts seht ihr mich in dem Stall der Hühner von Lucilas Sohn. Sie haben zwar die Chance, raus zu gehen, leben sozusagen in „Freilandhaltung“, doch verlassen sie leider selten den Stall und leben ziemlich gestresst auf engem Platz.

Ich finde es sehr spannend, all diese Orte zu sehen. Denn letztes Jahr war für mich Essen einfach Essen, es war da, fertig aus dem Supermarkt. Jetzt lerne ich aber jeden Tag viel mehr darüber, woher unsere Lebensmittel eigentlich kommen und welche Geschichte für Mensch, Tier und Umwelt dahintersteckt.

Landpastorale und Caritas

Letzte Woche war ich bei drei verschiedenen Seminaren, habe nur eine Nacht hier geschlafen. Wir waren erst auf einem Treffen der CPT in Santa Cruz. Morgens dachte ich noch, wir werden in die Stadt Santa Cruz fahren, uns vielleicht im Zentrum treffen, doch dem war nicht so. Wieder wurde ich mit einem neuen Ort überrascht (wie so oft) und mit Santa Cruz war die Region gemeint. Hier ist es nämlich so, dass auch die Region um die Stadt herum den Namen der Stadt trägt. Wir waren dann also mitten auf dem Land in einem Gebäude der Kleinbauern-Bewegung (Movimento Pequenos Agricultores).

Die Landpastorale ist ein Organ der katholischen Kirche kämpft für die Landreform, für Rechte der Kleinbauern und Umweltschutz. Eine große Rolle spielt dabei die Befreiungstheologie.

Drei Tage waren wir am Ende der Woche noch im Norden von Rio Grande do Sul auf einer Versammlung der Caritas. Normalerweise haben wir mehr mit der diözesanen Caritas zu tun, doch für das Treffen sind wir noch ein bisschen weiter weggefahren und haben Menschen aus anderen Diözesen getroffen. Die Menschen waren wieder sehr offen und ich habe mich wohl gefühlt. Es wurde viel diskutiert und in den Pausen musiziert.

In so gut wie allen Konferenzen der letzten Wochen ging es übrigens um die zweite Enzyklika des Papstes Franziskus, dem Laudato Si` und dem gemeinsamen Haus (casa comum). Daraus ergibt sich dann oft die Frage und das Überthema des „Bem viver“, also dem guten und würdigen Leben für alle. Fast jedes Mal bittet mich Oldi, zu erzählen, warum ich Vegetarierin bin. So rede ich dann über das Bem viver der Tiere, über das eigentlich nie gesprochen wird.

Freizeit

Es passiert wirklich so viel, dass ich kaum alles erzählen will was ich zu erzählen hätte. Ich werde im Folgenden von verschiedenen Freizeitaktionen erzählen, die ich in den letzten Monaten gemacht habe.

Ich war zum Beispiel Anfang Oktober mit meinen zwei Mitfreiwilligen auf dem Oktoberfest in Santa Cruz. Das war echt auch eine lustige Erfahrung, allgemein ist es für uns oft sehr interessant wie sich Deutsch-Brasilianer hier verhalten, wie sie die deutsche Sprache beibehalten haben, wie sie davon träumen, eines Tages in ihr „Heimatland“ zu reisen. (Viele „Deutsche“ hier bezeichnen nämlich Deutschland noch als ihr „Heimatland“, obwohl sie und ihre Eltern in Brasilien geboren sind).

Am Wochenende war ich mit ihrer Familie auf einem „Redóio“, einem Platz, wo traditionelle Gaúchos Churrasco grillen, reiten und Ochsen mit einem Lasso einfangen. „Gaúcho“ ist eine traditionelle Kultur hier in Rio Grande do Sul.

Am nächsten Tag war ich abends dann (überraschenderweise) auch ausreiten, das war auch ziemlich aufregend.

Ein anderes Wochenende habe ich mal in Santa Cruz verbracht. Die Stadt ist mir mittlerweile schon vertrauter und ich freu mich immer wieder dorthin zurück zu kehren.

Öfters bin ich dort mit meinen Mentoren beim Sitz der diözesanen Caritas, aber auch für eine Nacht und ein Wochenende bin ich dortgeblieben, habe bei Célia übernachtet und mich mit einer kolumbianischen Freundin getroffen, die ich bei dem Sprachkurs im ersten Monat kennen gelernt habe.

Ich war bis jetzt schon viermal in der „Gruta dos Indíos“, einem Park und am Stadtrand von Santa Cruz. Auf dem Foto seht ihr uns in diesem Park, in dem es übrigens auch Affen, eine Seilbahn, einen See und eine Höhle gibt.

Da ich normalerweise rund um die Uhr mit meinen Mentoren zusammenlebe und -arbeite, tut eine solche Abwechslung dann auch mal ganz schön gut.

Hier daheim in meiner Freizeit helfe ich gerne Oldi den alten Schuppen aufzupeppen, damit dort in Zukunft auch Treffen mit Jugendlichen stattfinden können. Wir hören dann dabei immer alte brasilianische Platten oder Platten mit deutscher Weihnachtsmusik und räumen auf und putzen. Mit ihr ist es auf jeden Fall immer sehr verrückt und sehr witzig.

Am Wochenende kommen eigentlich immer Oldis Töchter mit ihrer Familie vorbei. Auf dem Foto könnt ihr uns sehen wie wir Pastel, ein typisch brasilianisches Essen, gebacken haben.

Wir kochen und backen immer noch oft zusammen und am Wochenende gehe ich immer wieder mit meinen „Cousinen“ (ich bezeichne sie jetzt mal so) spazieren. Ich habe jetzt auch ein Fahrrad hier, das ich neu rot lackiert habe, doch bis nach Cruzeiro ist es echt weit und oft bin ich die Strecke noch nicht gefahren. Da ich das Fahrradfahren aber schon bei dieser ganzen Autofahrerei vermisst habe, bin ich sehr glücklich, hin und wieder damit die rumpeligen ungepflasterten Straßen abzufahren.

Eine Tochter von Oldi, Caroline, hat mich dann mal gefragt ob ich gerne mit ihr und ihrer Familie für ein Wochenende nach Gramado fahren möchte. Gramado ist eine relativ touristische Stadt hier im Süden, bekannt für einen großen Wasserfall, Weihnachtsparks und allgemein sehr viel Weihnachtsdeko.

Besonders weihnachtliche Gefühle kamen bei mir zwar nicht so richtig auf, aber es war auf jeden Fall noch ein weiteres tolles Wochenende mit vielen neuen Dingen zu sehen.

Irgendwie ist es schon verrückt, dass es in Deutschland jetzt anfängt zu schneien während es hier trotz teilweise noch kalten Nächten langsam aber sicher Sommer wird.

Auch wenn ich bis jetzt noch nicht so oft an Weihnachten denke bin ich auf jeden Fall schon gespannt, wie ich es dieses Jahr verbringen werde.

Ganz liebe Grüße und einen großen abraço

Schickt euch eure Emily