Bienfait und Sophie in Deutschland und Ruanda

Ich mach‘ das freiwillig!

Wie oft hört man sich das schon sagen? Wohl eher selten. SPIESSER-Autorin Ragna hat sich mit zwei jungen Menschen getroffen, die einen Freiwilligendienst beim Hilfswerks MISEREOR geleistet haben. Sophie aus Deutschland und Bienfait aus Ruanda erzählten ihr, was sie dabei erlebt haben und wie schön freiwilliges Engagement sein kann.

Wenn ich mal ganz ehrlich bin, häufig kommt mir der Satz „Ich mach‘ das freiwillig!“ nicht über die Lippen. Und vielleicht genauso häufig denke ich trotzdem: Ich sollte mich mehr für die Gesellschaft engagieren. Vor allem, als ich mir beim Hilfswerk MISEREOR eine Präsentation über Freiwilligendienste anhöre. Dort habe ich mit zwei jungen Menschen gesprochen, die sich über 10 Monate lang freiwillig engagiert haben.

Zum einen berichtet mir Bienfait (26) aus Ruanda, der sich hier in Deutschland bei der Caritas in Köln engagiert hat. Zum anderen Sophie (25), die vor sieben Jahren eine der ersten war, die mit dem MISEREOR-Programm nach Ruanda reiste und dort bei dem Projekt „Vision Jeunesse Nouvelle“ (Vision Neue Jugend) ihren Freiwilligendienst leistete. Beide haben sich damals in dem Projekt kennengelernt. Bienfait bot dort Kunst- und Theaterkurse für Jugendliche an und organisierte Friedenscamps und Workshops für Flüchtlinge aus dem Kongo. Bei seinem Aufenthalt in Deutschland arbeitet er jetzt wieder mit Sophie zusammen: sie wirken als Helfer in einem Jugendcafé der Caritas in Köln mit, wo sie unter anderem auch mit Geflüchteten arbeiten.

Warum hast du einen Freiwilligendienst gemacht?

Sophie: Ich wusste nach dem Abi noch nicht so recht, was ich machen sollte. Ich wollte erstmal raus, meinen Horizont erweitern. MISEREOR kannte ich schon und bin dann auf den Freiwilligendienst aufmerksam geworden, als ich überlegt habe, was für mich nun in Frage kommt.

Bienfait: Ich wollte unbedingt wissen, wie es ist mit Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu arbeiten. Ich kannte Deutschland aus Filmen, Büchern, aber ich wollte auch wissen, wie es ist, hier zu leben und zu arbeiten.

Was hast du in deinem Projekt gemacht?

Bienfait: In dem Jugendcafé in Köln kommen Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 25 Jahren zusammen. Wir haben dort mit den Kindern gespielt oder uns mit den Älteren auch über die Zukunft ausgetauscht und Hilfe bei den Papieren geboten. Aber auch Theaterkurse und Musik haben wir gemacht. Trotz der vielen verschiedenen Sprachen haben wir es geschafft, uns alle zu verständigen.

Sophie: Ich habe zum Beispiel Gitarrenunterricht gegeben oder einen Modern-Dance-Kurs gemacht. In dem Theaterprojekt in Ruanda haben Bienfait und ich uns auch kennengelernt.

Was war dein beeindruckendstes Erlebnis?

Sophie: Während eines Theaterworkshops haben wir in einem kleinen Restaurant Pause gemacht. Eine Gruppe Jugendlicher hat mir zugewunken und mich eingeladen, mich zu ihnen an den Tisch zu setzen und mit ihnen zu essen. Das ist mir noch stark im Gedächtnis geblieben, weil es eine tolle Geste war und viel Spaß gemacht hat.

Bienfait: Als ich hier eine Theaterperformance organisiert habe, sind total viele Zuschauer gekommen, viele von denen kannte ich auch. Manche Kolleginnen haben sogar ihre eigenen Familien mitgebracht, das hat mich gerührt. Anschließend bekamen wir alle Blumen. Ich weiß nicht, wann mir zuletzt mal jemand Blumen geschenkt hat. Das war ein tolles Gefühl!

Hattest du einen Kulturschock? War es manchmal schwierig für dich?

Sophie: Für mich war es das erste Mal im Ausland für so lange Zeit. Mit 13 war ich mit meiner Familie in Peru, aber das ist ja was ganz Anderes. Der schwerste Kulturschock war für mich die Rückkehr nach Deutschland. Nach Ruanda zu gehen war spannend. Es war fremd, klar, aber ich war offen und habe es akzeptiert, manches erstmal nicht zu verstehen. In Deutschland hatte ich dann wieder dieses Gefühl, ganz viele Rollen erfüllen zu müssen, damit hab ich mich anfangs sehr schwer getan, weil ich mich in meiner alten Rolle nicht mehr wohlgefühlt habe.

Bienfait: Manchmal fühlte ich mich ein bisschen verloren, wenn du zum Beispiel merkst, dass die Kinder sich anders verhalten und plötzlich zu streiten anfangen und du weißt nicht wieso, weil du die Sprache nicht verstehst. Da ist es dann schwierig, wenn du vermitteln willst.

Würdest du den Dienst nochmal machen? Und was würdest du anderen raten, warum sie deinem Beispiel folgen sollten?

Bienfait: Ich würde auf alle Fälle als Mentor für neue Freiwillige arbeiten. Die Lernerfahrung und Inspiration, die man durch die Projekte bekommt, das sollte jeder mal haben. Es gibt einem eine große Unabhängigkeit und du kannst anderen Leuten helfen. Man sollte auf jeden Fall immer neugierig bleiben und offen sein für den Menschen, die Sprache und die Kultur.

Sophie: Ich würde es jederzeit wieder machen und bereue es kein bisschen. Im Gegenteil – ich profitiere davon immer noch. Jetzt bin ich selber Mentorin. Anderen würde ich raten: Ja, tu es! Bloß nicht auf die Leute hören, die sagen, das sei ein verschwendetes Jahr, das ist es kein bisschen. Man sollte geduldig und neugierig sein und alles was einem so unerwartetes passiert mit Humor nehmen.

Der Freiwilligendienst bei MISEREOR

Vor sieben Jahren konnten zum ersten Mal junge Menschen aus Deutschland über MISEREOR einen Freiwilligendienst im Ausland absolvieren. Die Organisation schickt im Rahmen des vom Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ins Leben gerufenen weltwärts-Programms junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren nach Asien, Lateinamerika oder Afrika. Sie arbeiten dort in kulturellen und sozialen Einrichtungen und wirken bei Projekten mit Kindern, Familien oder Geflüchteten mit. Dort erwarten die jungen Engagierten tolle Erfahrungen, kultureller Austausch und vor allem ein ganz großes Stück Lebenserfahrung.

Doch MISEREOR bietet auch jungen Menschen im Ausland die Möglichkeit zu einem solchen Austausch: Sie können nach Deutschland kommen und hier einen Freiwilligendienst absolvieren. Das sogenannte Reverse-Programm ermöglicht es den jungen Erwachsenen aus den Partnerorganisationen im Ausland, auch in Deutschland in sozialen Projekten mitzuwirken. Dabei steht das „voneinander Lernen“ im Vordergrund.