Franziska in Tansania

Inzwischen sind wir schon fast im vierten Monat des neuen Jahres angekommen und für mich wird es höchste Zeit, mal wieder etwas von mir aus Tansania hören zu lassen. Weihnachten liegt schon sehr lange zurück, da ich aber seither keinen Rundbrief mehr geschrieben habe, möchte ich trotzdem gerne erzählen wie ich das Fest in Tansania empfunden habe.

Ich dachte im Voraus, dass ich so gar keine Weihnachtsgefühle haben werde, weil ich Weihnachten normalerweise mit Schnee, Kälte, Familie etc. verbinde. Allerdings hatte ich, obwohl die pralle Sonne schien und ich das Fest mit den Schwestern gefeiert habe, sehr wohl Weihnachtsgefühle und war davon selbst ein bisschen überrascht. Die Tage vor Weihnachten waren vollgepackt mit Kirchenchorproben und der Planung unserer einheitlichen Outfits für den ersten Weihnachtsfeiertag. So wurden für alle Mitglieder des Chors hellgelbe Kleider/Hemden geschneidert. Ich meinte zu den anderen Chormitgliedern, dass die hellgelbe Farbe auf dunkler Haut um einiges besser aussehe und dass mir das hellgelb mit meiner weißen Haut überhaupt nicht steht. Sie beharrten dann aber darauf, dass mir das Kleid mindestens genauso gutstehen würde wie ihnen. Ansonsten lief Weihnachten ähnlich ab wie in Deutschland. Ich bin gemeinsam mit den Schwestern an Heiligabend zur Messe und danach hatten wir eine kleine aber feine Feier. Ich fand es sehr schön, dass alle Schwestern zusammensaßen und Zeit miteinander verbracht haben, weil das sonst im Alltag nicht häufig vorkommt. Natürlich treffen sich alle Schwestern täglich zum Essen und zum Gebet, aber ansonsten passiert es nicht, dass sie alle zusammensitzen. So wurde dann ein kleines Festmahl aufgetischt. Es gab viel Gebäck, Hühnchen (was es immer nur zu Festtagen gibt) und sogar Wein. Relativ schnell wurde dann auch die Musik angeschmissen und noch während dem Essen begannen einzelne Schwestern im Wohnzimmer zu tanzen. Wir hatten also eine sehr ausgelassene Atmosphäre, die ich sehr genossen habe. Nachdem ich mich beim Tanzen mit den Schwestern dann auch noch ein bisschen ausgepowert habe, ging ich an Heiligabend sehr zufrieden ins Bett und war dankbar dafür, Weihnachten an diesem Ort feiern zu dürfen.

Für das Essen am ersten Weihnachtsfeiertag lag eine Liste aus in die man sich eintragen konnte, wenn man etwas beitragen wollte. Die Schwestern meinten zu mir, dass sich alle eintragen werden und da ich schließlich auch dazugehöre, solle ich mich doch auch beteiligen. Ich freute mich sehr, dass sie mir zeigten, dass ich irgendwie dazugehöre und entschied mich dann dazu Pfannenkuchen mit Honig und Zucker als Nachtisch vorzubereiten. Ich hätte natürlich gerne auch etwas Aufwendigeres beigesteuert, aber mit den Zutaten ist man hier leider doch ein wenig eingeschränkt und allein die Milch, die ich für Pfannenkuchen à 20 Personen verbraucht habe, war schon ein kleines Luxusgut. Die Schwestern haben sich super gefreut und mich sehr gelobt. Ich war also einfach froh, dass ich etwas zum Essen beisteuern konnte was ihnen schmeckte.

Nach Weihnachten stand dann unsere erste große Reise an, auf die wir auch schon sehr hin gefiebert hatten. Für uns hieß es nämlich dann, das erste Mal auf eigene Faust mit dem Bus durch das Land zu reisen. Wir sind einwandfrei nach 16 Stunden Fahrt in Dar es Salaam angekommen, wo wir im August mit dem Flugzeug gelandet sind. Dort haben wir unsere Mitfreiwilligen getroffen die ihre Einsatzstellen im Norden Tansanias haben und sind gemeinsam mit der Fähre zur Insel Sansibar übergesetzt. Die Wiedersehensfreude nach fünf Monaten war sehr groß und es war schön zu sehen, in was für unterschiedlichen Projekten wir alle untergekommen sind und wie ähnlich doch viele Erfahrungen sind, die wir gemacht haben. Als wir dann auf Sansibar angekommen sind, fühlte ich mich wie in einem Film, weil das Meer einfach so wunderschön türkis war, sodass es im ersten Moment völlig surreal wirkte. Auf der Insel zeigte sich Tansania kulturell von einer ganz neuen Seite für uns. Im Gegensatz zu der Gegend, in der ich lebe, in der das Christentum sehr verbreitet ist, sind auf Sansibar 99% der Menschen Muslime. Das äußert sich natürlich im Alltagsleben. Die Gebetszeiten der Muslime waren sehr präsent und die Gebetsrufe hallten durch die Stadt. Sansibar war lange Zeit das Zentrum des Sees und Sklavenhandels, deshalb war die Insel ein wichtiger Stützpunkt für arabische Kaufleute und Sultane. Bis heute merkt man deren Einfluss sehr stark und der Mix aus afrikanischer und orientalischer Kultur war sehr interessant zu erleben.

Anfang Januar waren wir wieder zurück an unseren Einsatzstellen und für mich begann damit eine Zeit kleiner Veränderungen in meinem Alltag. Seit Anfang Dezember arbeitete ich aufgrund der Schulferien nicht mehr in der Vorschulklasse, sondern ging verschiedensten Arbeiten nach. Als das neue Schuljahr also wieder anfing und ich planmäßig mit meiner Arbeit in der Vorschulklasse begann, merkte ich schnell, dass ich im Dezember mit meinem anderen Arbeitsfeld glücklicher und erfüllter war. Nach langem Hin und Herüberlegen wie ich jetzt vorgehen sollte, entschied ich mich bei der Schulleiterin anzufragen, ob es möglich sei, dass ich mein Aufgabenfeld verändere. Ich war sehr erleichtert, als sie positiv reagierte und meinte, ich solle einfach da arbeiten wo ich glücklich bin. Bis heute bereue ich diese Entscheidung nicht und fühle mich in meinem Alltag jetzt viel freier. Außerdem habe ich das Gefühl außerhalb des Klassenzimmers mehr mit den Schwestern und Arbeitern auf unserem Gelände in Kontakt zu sein und einfach mehr „da“ zu sein. Was ich jetzt genau arbeite ist schwer zu definieren. Ich würde sagen ein abwechslungsreicher Mix aus körperlicher Arbeit bei den Tieren/auf dem Feld, Schreib und Computerarbeit im Büro und Spielzeit mit den Kindern. Einigen hatte ich schon erzählt, dass ich nicht mehr in der Schule arbeite und darauf wurde mir oft die Frage gestellt ob mir die Kinder denn nicht fehlen würden. Diese Frage ist natürlich berechtigt, aber dadurch dass ich Tür an Tür mit den Kindern zusammen wohne und ich sie ab Schulschluss bis abends um mich herum habe, habe ich trotzdem das Gefühl genügend und für mich wertvolle Zeit mit den Kindern zu verbringen. Diese wachsen mir je länger ich hier bin immer mehr ans Herz. Wenn ich auf den Anfang meines Jahres im September und auch Oktober zurückblicke, merke ich wie fremd mir die Kinder damals noch waren und wie fremd ich auch ihnen war. Doch mit der Zeit haben wir uns immer mehr angenähert. Erst diese Woche saßen wir wie jeden Abend zusammen und ich habe mich mit den Kids darüber unterhalten, dass die Zeit so schnell rast. Daraufhin meinte Asha, eines der älteren Mädels meiner Wohngruppe zu mir, dass sie mich anfangs noch wie einen Gast in Erinnerung hat und jetzt bin ich schon fast wie eine von ihnen, ein „kiziwi“ (=Gehörloser).

Anfang Februar führte uns die Reise zu unserem Zwischenseminar wieder nach Dar es Salaam. Dort trafen wir ca. 20 andere Freiwillige aus Tansania, Sambia, Ruanda und Kenia. Dieses Seminar sollte uns Raum dafür bieten, über die vergangenen sechs Monate zu reflektieren und einen Blick auf die noch vor uns liegende Zeit zu werfen. Wir sprachen viel über Konflikte und Herausforderungen, die uns im Alltag begegnen und wie wir damit umgehen können. Abgesehen von dem Input, den wir bekamen, war es einfach auch schön abends zusammen zu sitzen und die Gemeinschaft mit den anderen zu genießen. Das Zwischenseminar war wie eine kleine Auszeit von unserem Alltag, der mir sehr guttat und aber auch die Vorfreude stärkte für weitere fünf Monate nach Ruhuwiko zurückzukehren. Nach unserem Zwischenseminar wollten wir nicht wie gewöhnlich mit dem Bus zurückfahren, sondern mit dem TAZARA (Tanzanian Zambian Railway) Zug reisen. Dieser Zug durchquert auf seiner Strecke Tansania und endet in Sambia. So verbrachten wir 28 Stunden im Zug und diese Zeit ging überraschenderweise wie im Flug vorbei. Wir hatten eine Vierbettkabine und konnten uns die Zeit gut vertreiben, sei es beim Spiele Spielen oder beim Beobachten der vorbeiziehenden Landschaft.

Die Vorbereitungen für das Osterfest laufen hier gerade in vollem Gange. Generell muss ich sagen, dass ich die Fastenzeit und die Vorfreude auf Ostern noch nie so intensiv erlebt habe wie hier. Das liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass ich bei Schwestern lebe und deshalb das Thema automatisch „präsenter“ ist. Aber auf der anderen Seite sind auch viele Menschen im Dorf in die Vorbereitungen eingebunden und man hat fast das Gefühl, es liegt etwas in der Luft, irgendetwas Besonderes steht an. In Deutschland ist diese Zeit immer ein bisschen an mir vorbeigezogen und so richtig bewusst wahrgenommen wie hier habe ich sie nicht. Außerdem proben wir mit dem Chor gerade anstatt drei Mal die Woche jeden Tag für die Festgottesdienste. Wenn man also jeden Tag zur Chorprobe springt und verschiedenste „Hallelujas“ probt, kann man wohl nicht anders, als zu realisieren, dass Ostern ansteht. Noch ein Grund zur Vorfreude auf Ostern ist, dass hier unter anderem mit meinem Papa und meinem Bruder feiern werde, die mich besuchen kommen. Ich freue mich sehr auf meinen Besuch aus Deutschland und darauf, ihnen das Land ein wenig zu zeigen, in dem ich die letzten fast acht Monate verbracht habe.

Alles Gute und Grüße aus Ruhuwiko.

Franziska